Warta Buruh: Arbeiternachrichten aus Indonesien

Bericht aus Solo, 19.3.99

(Siehe auch das Interview vom Oktober 98)

Am 3. August 98 traten 1727 im KRKB (Komite Reformasi Kaum Buruh) organisierte Arbeiter der PT Tyfountex in Solo in den Streik. Sie wurden von der Firma ausgesperrt/entlassen. Nachdem einige Gerichtsurteile schon zu Gunsten der ArbeiterInnen ergingen, hat vor etwa einem Monat die Firma vor dem Obersten Gericht in Jakarta gewonnen. Die LBH-(Rechtshilfe) Anwälte in Jakarta, die die Sache der Tyfountex-ArbeiterInnen vertreten, haben aber Berufung eingelegt. Die juristische Schiene ist also noch nicht ausgereizt. Es ist allerdings unklar, wie gut dabei die Aussichten sind, die ArbeiterInnen sind geteilter Meinung. Die Erfolgschancen hingen davon ab, wie dann die politische Lage ist.

ArbeiternachrichtenObwohl der finanzielle Druck enorm ist - in Indonesien gibt es weder Arbeitslosengeld noch Sozialhilfe - geben die Streikenden nicht nach. Die Firma setzt die ArbeiterInnen schon länger unter Druck, die angebotene Abfindung zu nehmen, unter anderem mit der Behauptung, dass es später gar nix gibt. Es gab auch andere Einschüchterungsversuche. Von den ursprünglich 1700 Streikenden sind schon früher 200 aus dem KRKB ausgetreten und haben die Abfindung genommen. Außerdem haben bis 18.3.99 fünf KRKB-Mitglieder sich abfinden lassen. Innerhalb des KRKB hat es aber auch Auseinandersetzungen gegeben, ob man nicht doch das Geld nehmen und um höhere Abfindungen verhandeln soll.

Einige der Ausgesperrten haben schon bei anderen Textilfirmen in Solo oder Semarang wieder Jobs gekriegt, obwohl das bei 25% Arbeitslosigkeit schwierig ist. Andere sind im "Dienstleistungssektor" tätig (betreiben Essenstände etc.), etliche mußten wieder aufs Land zu den Eltern zurück.

Jetzt gibt es jedenfalls eine Minderheit im KRKB, die die Abfindung nimmt, ohne das KRKB zu verlassen. 500 ArbeiterInnen werden bis Mitte nächster Woche abgefunden. Sie verlieren damit ihre Ansprüche im Falle eines juristischen Sieges. Aber auch für sie hat sich der Kampf bereits gelohnt. Die im Gesetz vorgesehene Mindestabfindungssumme ist ein Monatslohn. Der KRKB hat für die abfindungsbereiten Mitglieder höhere und nach Betriebszugehörigkeit gestaffelte Summen ausgehandelt. Bei einem Jahr Betriebszugehörigkeit gibt es einen Monatslohn, plus 5% Bonus, das sind 146.300 Rp + 5%. Fuer 12 Jahre Arbeit gibt es z.B 1,2 Mill. Rp.

Der KRKB wollte eigentlich, daß alle 500 die Abfindung gemeinsam vor dem Depnaker-Gebäude (Arbeitsbehörde) abholen, mit der Begründung, daß die ArbeiterInnen fürchten, betrogen zu werden. Das haben sie nicht durchsetzen können. Die ArbeiterInnen müssen das Geld bei der Firma abholen und auch nicht gemeinsam, sondern nur 100 pro Tag. Am ersten Tag der Auszahlung gibt es gleich eine Panne (wegen der Bankenkrise??). Die Firma hat den Beginn für 10Uhr angekündigt, es stellt sich aber heraus, daß es erst ab 14Uhr Geld gibt. Die ArbeiterInnen, einige davon schwanger, müssen vor dem Fabriktor warten. Wohl um Zwischenfällen vorzubeugen, hat die Firma etliche Schlägertypen mit schwarzen Mützen angeheuert, die vor dem Tor rumstehen. Diese gehören nicht zum normalen Werkschutz. Es ist wirklich bizarr, diese bulligen Gestalten im Vergleich zu den wartenden ArbeiterInnen, die fast ohne Ausnahme klein und dünn sind, jedenfalls wenn sie keinen dicken Schwangerschaftsbauch haben. Wenn eine der Frauen aufs Klo muß, wird sie gnädig aufs Werksgelände gelassen.

Die anderen 1000 ArbeiterInnen sind stur und haben die Abfindung abgelehnt, auch weil sie zu wütend auf die Firma sind. Im Laufe des Kampfes sind etliche zu Aktivisten geworden, die nicht nur den Streik bei Tyfountex im Auge haben, sondern auch Kontakt zu anderen Arbeitergruppen in anderen Städten suchen. Sie versuchen auch, in anderen Firmen in Solo zu organisieren, besonders da, wo KRKB-Mitglieder Jobs gefunden haben. Sie sind gut über die Arbeiterkämpfe in Indonesien informiert, z.B. der Streik bei Maspion (in Surabaya) wird immer wieder erwähnt. Das KRKB, obwohl ursprünglich der Anstoß von radikalen Studenten kam, ist eine reine ArbeiterInnenorganisation, die Studenten in Solo, und in anderen Städten auch, haben ihre eigenen Organisationen und sind nicht so an den ArbeiterInnen interessiert.

Das KRKB gibt eine kleine Zeitung, eigentlich nur eine kopierte Doppelseite, heraus, die Warta Buruh (Arbeiternachrichten). Sie wird für 250 Rp. vor den Fabriken oder an den KRKB-Anlaufstellen, den Poskos, verteilt. In Solo gibt es ca. 20 Poskos, jeder wird von einigen Dutzend Leuten frequentiert.

Um den Mitgliedern das Überleben zu erleichtern, hat das KRKB eine Koperasi (Genossenschaft) gegründet, Streikgeld gibt es natürlich nicht. Die Koperasi kauft (u.a. von Spendengeldern und Beiträgen der Mitglieder) in größeren Mengen Nahrungsmittel und verteilt diese. Um etwas Geld zu verdienen, stellen Genossenschaftsmitglieder aus Nüssen Knabberzeug her und verkaufen es auf dem Markt.

Einmal pro Woche ist Versammlung des KRKB. Dabei werden nicht nur Tagesprobleme, sondern auch politische Fragen diskutiert, das Thema Revolution ist dabei kein Tabu. Die Frage, wie sie sich vorstellen, daß aus dem Kampf für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne, dem "ökonomischen" Kampf also, der Kampf für eine andere Gesellschaft wird, stößt auf Unverständnis. Sie sehen da keine Trennung. Ob die Revolution in Indonesien auf der Tagesordnung steht? "Belum" ist die Antwort: Noch nicht.



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20. März 1999